Paul und Svenja im Stadion, sie sind beide behindert, sitzen eng beieinander und verfolgen ein Fußballspiel, die Sonne scheint ins Stadion.
Aus dem Leben

Was ich von meiner Tochter und ihrem Freund über das Leben gelernt habe

Manchmal braucht es nur ein Bild, um einem wieder bewusst zu machen, was wirklich zählt.

Heute habe ich mir die Bilder von gestern aus dem Stadion angeschaut. Eines davon hat mich besonders berührt. Es zeigt Svenja, meine Tochter, und ihren Freund Paul – eng aneinander, ein stiller Moment zwischen zwei besonderen Menschen.

Eine Verbindung, die seit dem Kindergarten besteht

Svenja ist 16, sie ist behindert. Paul auch. Die beiden kennen sich schon ihr halbes Leben – seit dem Kindergarten. Damals waren sie in der gleichen Gruppe, später in der gleichen Schule und Klasse.

Wenn ich die beiden heute so sehe, wird mir immer wieder bewusst, wie unterschiedlich sie sind – und gleichzeitig, wie ähnlich.

Ich habe einmal gesagt:

„Meine Tochter kann mir mehr beibringen, als ich ihr jemals vermitteln könnte.“

Dieses Bild ist der beste Beweis dafür.

Unterschiedlich – und doch auf besondere Weise verbunden

Die beiden sind so verschieden – und doch verbindet sie ein unsichtbares Band, das stärker ist als alles, was ich in meinem Leben je erlebt habe.

Sie zicken sich an, sie sind eifersüchtig, sie sehen sich jeden Tag mehrere Stunden. Und auch an den Wochenenden verbringen sie Zeit miteinander – im Stadion, auf Festen oder einfach im Alltag.

Paul ist der Ruhige, der in sich Gekehrte. Svenja dagegen ist lebendig, spricht viel und gerne. Wenn Svenja zickt, weiß Paul genau, wie er sie einfängt. Und umgekehrt ist es genauso.

Liebe in einer eigenen Sprache

Ihr Leben ist nicht einfach. Ihnen wurde etwas mitgegeben, womit wir – in unserer „normalen“ Welt – uns schwertun würden. Und trotzdem: Sie lieben sich.

Auf ihre eigene Weise. Mit ihrer eigenen Sprache, ihrer eigenen Form von Zuneigung und Emotionen.

Svenja macht sich viele Gedanken, wenn es Paul nicht gut geht. Paul sorgt sich, wenn Svenja mal einen Tag nicht zur Schule kommt. Sie haben unterschiedliche Behinderungen, verschiedene Interessen – und doch können sie nicht ohne einander.

Auch wenn Pauls Telefonate manchmal nur zwei Minuten dauern und seine Art oft „eigen“ erscheint – Svenja kennt ihn. Sie mag ihn genau so, wie er ist. Mit all seinen Ecken und Kanten.

Was wirklich zählt

Heute ist mir einmal mehr bewusst geworden, wie schnell viele Menschen aufgeben – nur weil jemand nicht in ihr Raster passt. Weil jemand anders kommuniziert, anders fühlt, anders lebt.

Doch Svenja und Paul zeigen mir immer wieder, dass es der Kern eines Menschen ist, der zählt.
Das Herz. Die Basis, auf der sich alles andere aufbauen lässt.

Beide haben ein riesiges Herz, sind offen, ehrlich, voller Empathie. Und das ist so viel mehr wert als alles, was wir oft als „normal“ oder „richtig“ bewerten.

Sie zeigen mir, dass Entwicklung Zeit braucht. Dass man lernen kann, mit Eigenheiten und Gegensätzen umzugehen – gemeinsam, auf Augenhöhe, mit Geduld und Wertschätzung.

12 Jahre Freundschaft – 12 Jahre Entwicklung

Über 12 Jahre kennen sie sich nun schon. In dieser Zeit haben sie sich entwickelt – jeder für sich, und beide miteinander.

Es ist die Wertschätzung für den Menschen, für seinen Kern und seine Einzigartigkeit, die alles trägt.

Und genau das ist es, was mich dieses eine Bild heute wieder gelehrt hat.

Liebe Grüße

Jörg

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.