Ein junges Paar mit Behinderung sitzt eng beieinander im Stadion. Beide berühren sich an Stirn und Händen, mit geschlossenen Augen – ein stiller Moment inniger Nähe. Auf dem Bild steht der Satz: „Liebe ist ehrlich. Nicht perfekt. – Einfach Svenja –"
Aus dem Leben

Lieben Menschen mit Behinderung anders? Ein persönlicher Gedanke.

Es ist eine Frage, die mich in den letzten Tagen nicht losgelassen hat:
Lieben Menschen mit Behinderung anders?

Anders im Sinne von klarer. Direkter. Unverstellter. Vielleicht sogar ehrlicher.

Ich beobachte Svenja und ihren Freund Paul oft, wie sie miteinander umgehen – wie sie miteinander lachen, sich necken, Nähe suchen oder einfach ganz selbstverständlich nebeneinander sitzen, ohne viel zu sagen. Und ich frage mich, ob es diese Art von Beziehung ist, die etwas in mir zum Klingen bringt.

Nicht, weil sie „besonders“ oder „rührend“ ist – das sind oft Begriffe, die schnell ins Unangemessene kippen können, weil sie andere Menschen unbewusst kleiner machen. Sondern weil sie so echt ist. So unverkopft. So wenig gespielt.

Keine Spielchen, kein Versteckspiel

In unserer Welt, in der viel über Liebe, Anziehung, Bindung und Beziehungen gesprochen wird, scheint manchmal genau das verloren zu gehen: die Echtheit.
Wir lernen, wie wir wirken sollen, was wir sagen dürfen, wann wir uns verletzlich zeigen dürfen – und wann lieber nicht.

Menschen wie Svenja und Paul kennen diese Spielchen nicht oder haben kein Interesse daran, sie zu spielen. Ihre Sprache ist direkter. Nicht immer klar für Außenstehende, aber klar zwischen ihnen.

Wenn Svenja sagt: „Ich hab dich lieb“, dann meint sie es genau so. Ohne Hintergedanken. Ohne doppelten Boden.
Wenn Paul sich Sorgen macht, weil Svenja einen Tag fehlt, dann ruft er eben an – manchmal nur zwei Minuten, aber das reicht.

Es gibt keine Show, kein Hin und Her, kein Taktieren. Und genau das macht ihre Verbindung so stark.

Empathie, die nicht gelernt, sondern gelebt wird

Was ich bei den beiden spüre, ist eine Form der Verbundenheit, die tief geht – ohne viele Worte.
Vielleicht, weil sie beide gelernt haben, mit Herausforderungen umzugehen. Vielleicht, weil sie mehr aufeinander achten müssen. Vielleicht, weil sie sich gegenseitig brauchen – aber nicht aus Abhängigkeit, sondern aus einem ehrlichen Wunsch nach Nähe.

Sie scheinen intuitiv zu spüren, was der andere braucht. Nicht immer perfekt, nicht immer konfliktfrei – aber voller Empathie, Geduld und echter Zuneigung.

Ist das „anders“?

Vielleicht ist es anders, ja. Aber nicht im Sinne von besser oder weniger wert. Sondern anders im Ausdruck, anders im Zugang, anders in der Klarheit.
Und das ist kein Mangel – im Gegenteil: Es kann ein Geschenk sein.

Ein Geschenk, das uns daran erinnert, was wirklich zählt: Verlässlichkeit. Ehrlichkeit. Nähe, die nicht perfekt inszeniert sein muss, sondern einfach da ist.

Und was wir davon lernen können

Wenn ich den beiden zuschaue, denke ich oft:
Vielleicht könnten wir uns alle ein kleines Stück davon abschauen.

Nicht urteilen, nicht vergleichen, nicht überhöhen. Sondern hinschauen. Zuhören. Und anerkennen, dass Liebe viele Gesichter hat – und dass manchmal gerade die leisen, unauffälligen Formen die tiefsten Wurzeln schlagen.

Menschen mit Behinderungen lieben nicht „anders“ im Sinne von fremd oder besonders – sie lieben einfach echt. Und genau darin liegt ihre Stärke. Und vielleicht auch eine Einladung an uns alle, unsere Vorstellungen von Liebe neu zu denken.


Einfach Svenja ist mehr als ein Name. Es ist eine Haltung.
Ehrlich. Direkt. Und voller Herz.

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