
Warum ich als Papa von Svenja Angst vor der AfD habe
Ich heiße Jörg und bin Papa einer Tochter, die mein Leben für immer verändert hat – auf eine Weise, für die ich unendlich dankbar bin. Svenja ist 16 Jahre alt. Sie ist ein Sonnenschein, ein Wirbelwind, ein Mensch voller Liebe. Und ja: Svenja hat eine Behinderung. Sie hat eine komplexe Hirnfehlbildung, Epilepsie und ist in vielen Bereichen ihres Lebens auf Hilfe angewiesen.
Sie ist mein Kind. Mein Herz. Und meine größte Aufgabe.
Ich schreibe diesen Beitrag nicht, weil ich politisch provozieren will.
Ich schreibe, weil ich Angst habe.
Echte Angst.
Um meine Tochter. Um ihre Zukunft. Und um die Menschlichkeit in unserem Land.
Eine Welt, die ihre Daseinsberechtigung infrage stellt
Svenja ist nicht „krank“ im klassischen Sinne.
Sie ist ein Mensch mit besonderen Herausforderungen – und besonderen Stärken.
Aber sie ist verletzlich. Und sie lebt in einer Welt, in der Leistung, Effizienz und Anpassung oft wichtiger scheinen als Mitgefühl, Solidarität und Fürsorge.
Wenn ich Reden höre oder Wahlprogramme lese, in denen Begriffe wie „sozialer Ballast“, „unnütze Ausgaben“ oder „Leistungsgesellschaft“ fallen, dann spüre ich, wie mein Puls steigt.
Ich denke dann nicht abstrakt über Politik nach.
Ich sehe das Gesicht meiner Tochter vor mir.
Ihr Lächeln.
Ihren Stolz, wenn sie etwas Neues lernt.
Ihre Angst bei einem epileptischen Anfall.
Ihre Freude, wenn wir gemeinsam auf Tour gehen.
Und dann stelle ich mir vor, wie eine Gesellschaft aussehen könnte, die Menschen wie sie ausblendet.
Weil sie „nicht produktiv“ sind.
Weil sie „zu viel kosten“.
Weil sie „nicht ins System passen“.
Die AfD macht mir Angst – nicht wegen mir, sondern wegen Svenja
Ich habe keine Angst um mich. Ich bin erwachsen, gefestigt, kann diskutieren, streiten, mich zur Wehr setzen.
Aber Svenja kann das nicht.
Sie ist auf andere angewiesen – auf ein Netz aus Pflege, Medizin, Bildung, Teilhabe, Empathie und Schutz.
Und genau dieses Netz wird von der AfD infrage gestellt.
Hinter vermeintlich harmlosen Aussagen wie
„Wir müssen uns zuerst um unsere eigenen Leute kümmern“
steckt oft eine zutiefst gefährliche Ideologie:
Eine, die Menschen abwertet, die nicht in ein bestimmtes Bild passen.
Wenn man behinderten Menschen, pflegebedürftigen Kindern oder alten Menschen die Ressourcen entziehen will, wenn man „Inklusion“ als teures Experiment bezeichnet, dann sagt man im Grunde:
Du bist weniger wert.
Du störst.
Du gehörst nicht dazu.
Wer schützt Svenja, wenn ich es nicht mehr kann?
Das ist die Frage, die mich nachts wach hält.
Ich werde älter.
Irgendwann kann ich mich nicht mehr kümmern.
Irgendwann bin ich nicht mehr da.
Und was bleibt dann für Svenja?
Wird sie in einer Gesellschaft leben, die sie trägt, fördert, achtet?
Oder in einer, die sie vergisst?
Ich habe in der Pflege viel erlebt – gute Momente, aber auch strukturelles Versagen.
Ich habe mit Ämtern gerungen, mit Krankenkassen diskutiert, Hilfsmittel beantragt, Pflegegrad-Gutachten gelesen, immer wieder neu kämpfen müssen.
Es war oft schwer, aber es gab immer irgendwo Menschen, die mit uns waren.
Was aber, wenn jene Kräfte stärker werden, die genau diese Unterstützungsstrukturen abbauen wollen?
Was, wenn Menschen wie Svenja keine Lobby mehr haben?
Menschlichkeit darf niemals verhandelbar sein
Ich bin Demokrat.
Ich bin Vater.
Und ich weiß, dass Menschlichkeit nicht abhängig sein darf von Wahlergebnissen.
Sie ist nicht verhandelbar.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die ihre Menschlichkeit daran misst, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Nicht daran, wie schnell sie wächst oder wie effizient sie ist.
Eine Gesellschaft, in der Vielfalt kein Problem, sondern ein Reichtum ist.
Svenja ist nicht „weniger wert“.
Sie ist das Beste, was mir je passiert ist.
Und deshalb werde ich laut.
Ich kann und will nicht schweigen.
„Ich habe keine Angst vor der Zukunft. Ich habe Angst vor einer Gesellschaft, die meine Tochter aus ihr ausschließt.“
– Jörg, Papa von Svenja

